Erfahrungsberichte

Hier haben wir für Sie Geschichten von Pflegeeltern, ehemaligen Pflegekindern und ehrenamtlichen Paten gesammelt, die Ihnen einen persönlichen Einblick in die Gedanken- und Erfahrungswelt der Berichtenden ermöglichen.

Patenschaften

Kinder im Wäschekorb
Patenfamilie R. • Fünf plus eins
Unsere Patenschaft zu einem jugendlichen Flüchtling

Fünf plus Eins ...

... macht nicht nur sechs Familienmitglieder, sondern noch viel mehr. Die Fünf, das sind meine Frau, unsere drei Kinder und ich. Plus eins, das ist Mahdi, der mit 13 Jahren vor dem Terror in Afghanistan geflohen ist. Nach einer lebensgefährlichen Reise durch Asien und Europa kam er vor zwei Jahren in Deutschland als 16-jähriger an. Hier begann sein Leben bei Null, in einer völlig fremden Kultur mit einer völlig fremden Sprache. Doch er war gewillt alles zu tun um Fuß zu fassen und weiter zu gehen, selbstständig zu werden und ein neues Leben aufzubauen. Und noch etwas anderes war in ihm, der Wunsch nach Familie, persönlichem Kontakt und Annahme.

Und an dieser Stelle kommen wir ins Spiel. Schon längere Zeit bevor wir Mahdi kennenlernten ging uns immer wieder der Gedanke durch den Kopf, etwas für Flüchtlinge zu tun, das über finanzielle Hilfe hinausgeht, etwas Unmittelbares, das man nicht kaufen, sondern nur geschenkt bekommen kann. Wir waren uns einig, dass unsere Familie bereit ist, ein weiteres Mitglied als Patenkind aufzunehmen. Und so waren wir offen für ein erstes Kennenlerntreffen mit Mahdi, das vom Lebenshaus in Lichtenstein vermittelt wurde. Seine direkte und freundliche Art überzeugte uns schnell davon, dass wir prima zueinander passen würden. Mahdi ging es ganz genauso, besonders mit unserer 4-jährigen Tochter war er sofort auf einer Wellenlänge.

Seither sehen wir uns regelmäßig, wenn möglich an jedem Wochenende. Wir zeigen Mahdi unsere Lebensweise, erklären ihm, wie man hier was und warum tut, und erkunden unsere Region. Dabei eröffnen sich auch uns ganz neue Aspekte unserer Umgebung, die sonst in der Selbstverständlichkeit des Alltags verblassen. Mahdi ist nach wie vor sehr interessiert und hat schon einen eigenen deutsch-afghanischen Lebensstil entwickelt. Inzwischen hat er eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker beginnen dürfen, und darauf sind wir ehrlich gesagt ein bisschen stolz, auch wenn wir praktisch nichts dazu tun konnten.

Kurz gesagt: Wir sind für ihn da. Wir fragen wie es ihm geht. Wir nehmen ihn mit. Er ist uns wichtig. Und er öffnet uns die Augen, zeigt uns, wie man sich durchkämpft, lehrt uns Bescheidenheit. Mahdi geht seinen Weg und ist uns ein Vorbild im Umgang mit einer neuen Kultur. Er ließ seine Heimat 6500 km weit hinter sich. Wir wollen ihm ein Stück einer neuen Heimat sein. Er soll wissen, auch hier ist er geliebt. Und das spürt er, genauso wie wir.

Sebastian und Susanne R. mit Mattheo, Max, Merle und Mahdi

Pflegefamilien

Pflegefamilie K. • Zwei Gründe zum Feiern
Der 3. Oktober ist nicht nur ein Feiertag, sondern für uns auch ein Jahrestag, da unsere Familie an diesem Tag um ein fast 2-jähriges Mädchen reicher wurde.
Die Entscheidung, einem Kind ein Zuhause zu geben, auch im eigenen Herzen, war für uns ein jahrelanger Prozess. In dieser Zeit wuchs die eigene Familie und es war uns wichtig, dass unsere vier leiblichen Kinder auch ein "Ja" dazu sagen.

Und nun haben wir seit dem 3. Oktober 2014 fünf Kinder.
Nach kurzer Anbahnung, zog S. bei uns ein und es begann eine spannende Kennlernzeit. An Vieles mussten wir uns gegenseitig erst gewöhnen und wir wissen im Rückblick, dass es nicht nur der "Stallgeruch" ist, der uns verbindet.

Wenn wir mit S. über ihre Geschichte sprechen, dann können wir das bisher entspannt tun. Sie weiß, dass sie in unserem Herzen gewachsen ist und auch eine "Bauchmama" hat. Das ist für sie in Ordnung, denn mit Schwiegerkindern sind in der Zwischenzeit noch mehr Herzenskinder dazu gekommen.

In langen Krankheitsphasen von S. konnten und mussten wir uns selbst prüfen, ob wir zu der Entscheidung "Pflegefamilie" stehen. Es gab in den letzten Jahren Zeiten, die wir uns anders vorgestellt hatten. Aber es gab unzählig viele Momente und Erlebnisse, die uns alle bereichert haben. Wenn S. selbst krank in ihrem Krankenhausbettchen singt: „Mein Gott ist so groß, so stark und so mächtig, unmöglich ist nichts meinem Gott!", dann gibt und tröstet sie, ohne es zu wissen.

Im August dieses Jahres wurde S. eingeschult. Es war ein schöner Tag, mit Familie, Paten und Freunden. Noch hüpfen die Zahlen und Buchstaben recht wild durcheinander. Oft vergisst sie Sachen, die in unseren Augen wichtig sind. Ja, manches fällt ihr schwerer als anderen Kindern und es wird nun offensichtlicher. Aber sie hüpft, singt, tanzt, träumt und redet ohne Punkt und Komma fröhlich durchs Leben. Vor einiger Zeit wurde sie gefragt, warum sie immer so viel redet. Ihre Antwort war kurz und knapp:

„So hat Gott mich gemacht, das ist nun mal so!"

Ja, so hat Gott sie gemacht und wir dürfen für sie Wegbegleiter sein.
Wir sind gespannt, was Gott noch mit uns allen vorhat.

(2018)

Kurzzeit- und Bereitschaftspflege

Kurzzeitpflegestelle L. • Familie auf Zeit
Familie auf Zeit – Erfahrungen in der Kurzzeitpflege

Ich heiße Annett Leistner (46) und wohne mit meiner Familie (Ralf (54), Aaron (16), Rebecca (15) und Elias (11) seit reichlich fünf Jahren in Kirchberg/Saupersdorf. Hier durften wir uns ein Haus kaufen mit einem schönen Grundstück. Wir gehören zur LKG Hartmannsdorf und dort auch zur ev. luth. Kirchgemeinde. Wir fühlen uns hier sehr wohl und sind Gott sehr dankbar, dass er uns diesen Platz gezeigt hat.


Ein Gedanke, der sich festsetzt

Den Wunsch, Pflegekinder aufzunehmen trage ich schon sehr lange in meinem Herzen. Schon immer habe ich mir eine große Familie gewünscht. Mein Lebensweg hat mich sogar für kurze Zeit in das SOS-Kinderdorf nach Zwickau geführt. Da zu diesem Zeitpunkt kein Mann in Sicht war, wollte ich Kinderdorfmutter werden. Doch Gott hat mir einen anderen Weg gezeigt. Ab da war aber der Gedanke, Kinder aufzunehmen, die Hilfe brauchen immer da. Und so war beim Umbau unseres Hauses von Anfang an Platz für Pflegekinder eingeplant.


Kinder, die kommen und gehen

Nach der Bewerbung beim Jugendamt und allen bürokratischen Hürden kam im August 2017 unser erstes Pflegekind zu uns. Er war ein fröhlicher, lustiger Junge (4), der es uns einfach gemacht hat, ihn gern zu haben. Wir sind mit unseren Kinder gut im Gespräch geblieben, wenn es Schwierigkeiten und Probleme gab. Jeder ist anders mit der Situation umgegangen. Es war eine spannende, schöne aber auch herausfordernde Zeit. Im Mai 2018 haben wir den Jungen dann verabschiedet, was mit ein paar Tränen beim Jüngsten verbunden war. Doch insgesamt ist es uns nicht schwer gefallen, ihn abzugeben. Für ihn war eine „gute“ Lösung gefunden und wir wussten ja von Anfang an, dass er nicht bei uns bleibt. Geblieben ist die Erkenntnis, dass wir uns weiter vorstellen können, Pflegekinder aufzunehmen.

So kam dann im August 2018 ein kleines Mädchen (2) zu uns und blieb bis Februar 2019. Im Februar 2020 kamen dann Geschwister, ein Mädchen (1) und ein Junge (5) und blieben bis September 2020. Vom Jugendamt war geplant, das nur der Große zu uns kommt. Wir wollten aber die Beiden nicht auseinander reißen, da sie schon von ihren großen Geschwistern getrennt wurden. So waren wir uns als Familie schnell einig: Beide oder keiner! Wir haben es nicht bereut, denn es hat erstaunlich gut funktioniert. Ich habe gemerkt, es ist kaum mehr „Aufwand“ als ein Kind und manchmal sogar einfacher, weil sich die beiden miteinander beschäftig haben, wenn von uns keiner Zeit hatte. So können wir uns gut vorstellen, auch wieder Geschwister aufzunehmen. Im Januar hatten wir dann noch ganz kurz für 2 ½ Wochen einen kleinen Jungen (knapp 2) bei uns.

Wenn ich erzähle, dass wir immer wieder mal Pflegekinder habe, werde ich oft gefragt: „Warum nur Kurzzeitpflege? Fällt euch das nicht schwer, die Kinder wieder abzugeben?“ Dann antworte ich immer: „Ich und wir als Familie könnten uns nicht vorstellen, dauerhaft ein Kind bei uns aufzunehmen. Die Herausforderungen und Probleme die damit verbunden sind, erscheinen uns höher, als sich immer wieder neu für kurze Zeit auf ein Kind einzulassen. Auch unsere Kinder tragen diese Entscheidung mit und wollen es auch gar nicht anders. Wir brauchen und genießen die Phasen sehr, wo wir nur uns als Familie haben. In dieser Zeit kann dann auch aufgearbeitet werden, was liegenbleibt, wenn ein Pflegekind da ist.“


Schöne und weniger schöne Erlebnisse

Natürlich gibt es auch bei uns Positives und Negatives. So waren wir z.B. sehr enttäuscht, als wir hörten, dass die Mama von dem Mädchen, was wir als zweites hatten ihre Reha abgebrochen hat, die sie mit der Tochter machen wollte. Es sah erst alles sehr hoffungsvoll aus.

Ein sehr schönes Erlebnis war für uns, dass wir die Geschwister zu den Eltern zurückgeben konnten. Die Eltern haben sich sehr bemüht und wirklich noch eine Chance verdient. Wir hatten in der Zeit der Besuchskontakte ein gutes Vertrauensverhältnis aufgebaut und sie haben Ratschläge angenommen. Wir haben bis heute mit ihnen Kontakt und ihnen geht es gut. Zu erleben, wie die Kinder zurückgehen dürfen und ein gutes Gefühl dabei zu haben, ist etwas sehr Schönes. Auch wenn ich weiß, dass dort nicht alles optimal läuft, aber wo gibt es das schon. Wenn die Voraussetzungen stimmen, ist es gut, wenn die Kinder wieder zu den Eltern dürfen und vor allem wenn diese Hilfe annehmen.

Durch dieses Erlebnis habe ich gemerkt, dass ich zur Zeit genau deshalb diese Aufgabe tun möchte: Eltern in Ausnahmesituationen eine zweite Chance geben. Ich sehe es als Berufung Gottes. Ich schaffe es auch gut, die Balance zu halten zwischen Nähe, die die Kinder brauchen und professioneller Distanz, die nötig ist. Wir als Familie sind daran sehr gewachsen. Unsere Kinder sind selbständiger geworden und haben gelernt, Verantwortung zu übernehmen, anzupacken, zu helfen und auch mal zurückzustecken. Ihnen ist auch ganz neu bewusst geworden, wie wertvoll es ist, eine intakte Familie zu haben. Sie und mein Mann sind mir auch eine große Hilfe und ohne sie könnte ich dies Berufung nicht ausleben. Dafür bin ich sehr dankbar!

Annett Leistner, Kirchberg bei Zwickau

(2021)
Hände halten Babyfüße

Adoption

Adoptivfamilie S. • Reich beschenkt
Wir haben lange überlegt, ob wir noch ein weiteres Adoptivkind aufnehmen. Wir haben eine Tochter und einen Adoptivsohn und hatten das Gefühl, dass uns noch ein Kind fehlt. Nun sind wir zu fünft und können es gar nicht fassen, wie reich wir beschenkt wurden.

Seine leibliche Mutter hatte sich für ihn entschieden, dass er lebt. Aber durch ihre Drogenabhängigkeit ist es ihr nicht möglich, ihn ins Leben zu begleiten. Da sie ihn sofort nach der Geburt zur Adoption frei gegeben hatte, durften wir diese Aufgabe übernehmen.

Mein Herzenswunsch war es, wenn wir ein Baby bekommen, es auch zu stillen. Dies klingt vielleicht etwas verrückt, aber mit Hilfe eines Brusternährungssets ist es möglich. Es dauerte nicht lang, bis ich selbst Muttermilch hatte. Auch wenn es nicht viel ist und ich immer zufüttern muss, hat sich die Zeit und die Geduld, die ich dafür aufbringen musste, gelohnt. Mit einem Jahr wird er immer noch vor dem Einschlafen gestillt. Dabei steht nicht der Hunger im Vordergrund sondern vielmehr die Geborgenheit.

Wir hoffen, dass er sich ein Leben lang in unserer Familie geborgen weiß und seinen Weg findet.

(2014)

Pflegekinder

Pflegekind N. • Verschlossene Türen - offene Türen
Nachdem Nicole mit 15 Jahren von ihrem zu Hause floh, fand sie bis 2010 bei Familie Demmler im Lebenshaus ein neues zu Hause. Heute ist sie 27 Jahre alt und studiert Personalmanagement.


Verschlossene Türen

Ein cholerischer Stiefvater. Jedem Tag Geschrei; Streit wegen nichts. Ein Stiefbruder, der meine Mutter brutal verprügelt, während sie unfähig ist, sich zu wehren und alles still erträgt. Ich in meinem Zimmer, die Tür verschlossen von außen. Mein Leben - kein Leben.

Die Situation, als ich mit 15 von zu Hause geflohen bin, hat sich für immer eingebrannt.
Der unendliche Schmerz, meine geliebte Mama alleine zurück zu lassen, aber die Gewissheit, gehen zu müssen, weil ich mein Leben sonst irgendwann selbst beendet hätte.
Der kalte Schock, als ich meine Sachen damals schon vor der Haustür gefunden habe und meine Mutter nicht nochmal sehen durfte, um mich zu verabschieden.
Und die endlose Leere, als ich realisiert habe, dass dieser Abschied endgültig ist.


Offene Türen

Meine Pflegefamilie hat ihre Tür für mich geöffnet und mich im März 2006 bei sich aufgenommen.

Die Tür zu ihrem Zuhause,
wo es warm ist und man sicher ist.
Die Tür zu ihrer Familie,
wo ich erleben durfte, wie harmonisch man miteinander leben kann.
Die Tür zu ihrem Herzen,
wo ich die Gewissheit habe, ich bin gewollt und geliebt.
Die Tür zu Gott,
den ich kennen lernen darf und auf den ich vertrauen kann.

(2013)

Ihre Erfahrungen teilen

Wir würden uns freuen uns, wenn Sie Ihre Erfahrung mit anderen teilen und uns Ihre persönliche Geschichte mit einem angenommenen Kind oder als ehemaliges Pflegekind per E-Mail an unsere Adresse info@lebenshaus.org senden.